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Wenn die Gewalt erscheint

Zwei Originalvorträge von Peter Sloterdijk und Gunnar Heinsohn

Autor: Peter Sloterdijk / Gunnar Heinsohn
Sprecher: Peter Sloterdijk / Gunnar Heinsohn
ca. 53 Minuten

Peter Sloterdijk, *Karlsruhe 26. Juni 1947 ist Philosoph und Schriftsteller. Seit 1992 Professur an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe (2001 Rektor); seit 1993 Leiter des Instituts für Kulturphilosophie an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Sloterdijk hat mit "Kritik der zynischen Vernunft" (1983) eines der erfolgreichsten philosophischen Werke vorgelegt. Dem Zynismus als dem aufgeklärten falschen Bewusstsein setzt er den rettenden Kynismus gegenüber. Aufsehen erregte seine Rede "Regeln für den Menschenpark", in der er Richtlinien für die Züchtung von Menschen gefordert hatte. 1998-2004 erschien sein Werk "Sphären" in drei Bänden, in denen er eine Antwort auf die Frage versucht, wie es Menschen fertigbringen, ihr Zusammensein miteinander zu meistern. 2005 erhielt Sloterdijk den Sigmund-Freud-Preis.

Gunnar Heinsohn, * 1943 in Gynia/Polen, studierte Soziologie, Geschichte, Psychologie, Wirtschaftslehre und Theologie an der FU Berlin. Er promovierte in Sozialwissenschaft und in Wirtschaftstheorie. Seit 1984 ist er Professor der Sozialpädagogik an der Universität Bremen. Schwerpunkte seiner Forschung bilden Geschichte und Theorie der Zivilisation. Heinsohn ist Mitglied und Sprecher des Raphael-Lemkin-Instituts für Xenophobie- und Genozidforschung und Mitglied des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung. 2003 hat Heinsohn sein vieldiskutiertes Buch "Söhne und Weltmacht" vorgelegt, in dem die These von der "youth bulge" ausgeführt wird.

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1 | Peter Sloterdijk: Wenn die Gewalt erscheint - Versuch über die Explosivität der Bilder

Sendung: 26.12.1994, Redaktion: Ralf Caspary - Laufzeit: 26:20

Inhalt: Urszenen der Gewalt finden sich bereits in der griechischen Mythologie. Der blutige Streit zwischen Thyestes und Atreus findet seinen Höhepunkt, als letzterer dem Bruder die eigenen Kinder zum Mahl vorsetzt. Als er erkennt, was ihm widerfahren ist, erbricht sich Thyestes und verflucht den Atreus. Mit diesem Zurückholen und Herausschleudern der Gewalt wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der die ganze Sippe in Mitleidenschaft zieht: Aigisthos tötet Atreus, Orest tötet Aigisthos und seine Mutter Klytaimnestra. Auch Homers Ilias stellt von Anfang an den Zorn des Achill als Leitmotiv in den Vordergrund. Im Furor des Achill bricht eine Gewalt auf, die ein höheres Recht beansprucht. Zu Beginn des europäischen Geschichtenstroms stehen damit die Gewalt und der Zorn. Es handelt sich dabei um keine unbeteiligte Gewalterinnerung, vielmehr fungiert der Erzähler als ihr Komplize. Bis heute sind das thyestische und das achilleische Muster wirkmächtig. Das Kino ist zum Kultraum der Gewalt geworden. Im Horrorfilm kommt die Gewalt aus den Grüften und toten Leibern, die Zukunft aus der Vergangenheit, der Actionfilm predigt eine Theologie der Explosion und die Botschaft, nach der es natürlich und herrlich ist, ein Vernichter zu sein.

2 | Gunnar Heinsohn: Jung, aggressiv und engagiert - Die Wut der Söhne und der Terrorismus

Sendung: 01.06.2007, SWR, Redaktion: Ralf Caspary - Laufzeit: 27:52

Inhalt: Bei den Debatten über den Terrorismus und die weitreichenden Folgen des 11. September 2001 stehen meistens politische, ideengeschichtliche oder kulturelle Aspekte im Vordergrund; man diskutiert über den Islamismus und dessen Ideologie, über den Dschihad oder den Nihilismus der Selbstmordattentäter. Ausgeblendet wird dabei ein Erklärungsmuster, das äußerst hilfreich sein kann bei der Analyse des internationalen Terrorismus. Es geht um die Demografie, um die Tatsache, dass in manchen Ländern junge, aggressive Männer dominieren, die ein großes Gewaltpotenzial besitzen und anfällig sind für die Ideologien der islamistischen Terroristen. Statistisch signifikant ist die "youth bulge", eine Ausstülpung der Alterspyramide der ab 15jährigen auf über 20 Prozent. Im Irak beispielsweise kommen im Schnitt sechs bis acht Kinder pro gebärfähiger Frau auf die Welt. Hier entsteht ein Potential, das zu Krieg und Völkermord führt. Die Jugendlichen sind größtenteils ausreichend ernährt, wachsen jedoch in einer Gesellschaft auf, die ihnen keine Statusperspektiven bieten kann, gehobene Positionen lassen sich nicht ebenso stark vermehren wie Nahrung. Die Fixierung auf die Erstgeborenen tut ein Übriges, vor allem die dritten und vierten Kinder bilden eben jenes gefährliche Potential. Diese Erfahrung ist keineswegs neu, sie kennzeichnet Europas imperialen Weg seit dem 15. Jahrhundert. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommen in Deutschland ca. sechs Kinder pro gebärfähiger Frau auf die Welt, die zwar für den Ersten Weltkrieg zu jung, für den Zweiten jedoch alt genug sind. Vor diesem Hintergrund scheint die Auseinandersetzung der USA in Afghanistan und dem Irak als aussichtslos. Dem Problem wäre nur durch Geburtenkontrolle beizukommen.

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