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Die Insel Reichenau

Reisen für Kopfhörer

Autor: Elisabeth Erdmenger
Sprecher: Nicole Boguth, Bernhard Zimmermann, Patrick Blank
ca. 56 Minuten

Mehr sehen, mehr verstehen! Unsere neuen Titel bieten kompetente und umfassende Einführungen in historische Stätten. Autoren der SWR2-Landeskulturredaktionen haben nicht nur aktuelle Informationen mit praktischen Tipps für die Besichtigung zusammengestellt, sondern auch alles Wissenswerte zu Besonderheiten der Architektur und Geschichte.

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Kleine Geschichte der Insel Reichenau


Im Jahre 724 gründete der hl. Pirmin auf der Insel Reichenau ein Kloster, das sich schon bald zu einem geistigreligiösen Zentrum des europäischen Mittelalters entwickelte. Vom Gnadensee im Norden, im Süden vom Seerhein umspült, ist die Insel schon seit Urzeiten Sommer-, vor allem aber Winterquartier für Zehntausende von Wasservögeln. Seit den Anfängen der Besiedlung viele Jahrhunderte nur mit dem Boot zu erreichen, wurde im 19. Jahrhundert die Untiefe zwischen östlichem Inselrand und gegenüberliegendem Seeufer zu einem von Pappeln umsäumten, straßenbreiten Damm aufgeschüttet. Doch auch Pirmin fand keine Wildnis vor, als er die Insel betrat, wohl aber eine politisch zerklüftete Landschaft, in der sich adlige Machthaber nebeneinander drängten und miteinander stritten. Schon aus diesem Grund pflegte die Benediktinerabtei seit Karl dem Großen intensive Kontakte zum kaiserlichen Hof in Aachen. Reichenauer Äbte waren Berater und Gesandte des Kaisers und wenn sich der Kaiser auf den Weg nach Rom machte, machte er Quartier auf der Reichenau.

Bis heute prägen die drei mittelalterlichen Kirchen das Bild der Insel. Da ist St. Peter und Paul von Niederzell, St. Maria und Markus in Mittelzell und St. Georg in Oberzell. Dazwischen breiten sich Felder mit Ackerland aus. Salat, Fenchel, Kohlrabi und Brokkoli werden in dieser Natur- und Kulturlandschaft gezüchtet, in der auch Kolbenente und Silberreiher heimisch sind. Alte Bauernhäuser und moderne Wohnbebauung, weite Felder, vielfarbige Blumenwiesen und Bauerngärten, Weinberge, Gewächshäuser und die mittelalterlichen Kirchen fügen sich bei einem Spaziergang über die Insel zu einem einmaligen Panorama zusammen. Viereinhalb Kilometer lang und etwa anderthalb Kilometer breit ist die Insel, mit dem höchsten Punkt, der Hochwart, 41 Meter über dem Seespiegel. Von hier aus sind die Hegauberge im Westen, die Konstanzer Stadtsilhouette im Osten, im Süden der Schweizer Seerücken und Allensbach im Norden zu sehen. Doch die Insel ist nicht nur ein Erholungsort für Ausflügler: 150 landwirtschaftliche Betriebe, 50 Winzer und 20 Fischer gehen einer Arbeit nach, die auch schon den Mönchen vertraut war.

Neben der Weinproduktion verlassen siebeneinhalb Millionen Salatköpfe, fast 1000 Tonnen Tomaten und über 14 Millionen Gurken jedes Jahr die Insel. Walahfrid Strabo, der Mitte des 9. Jahrhunderts Abt auf Reichenau war, hatte hier schon seinen Kräutergarten angelegt und in seinem berühmten Gedicht „Vom Gartenbau“, dem „Hortulus“, die Mühen und Freuden des Gartenbaus beschrieben. Neben seinem original rekonstruierten Kräutergarten kann der Besucher in drei neu eingerichteten Museumseinheiten, die sich jeweils in unmittelbarer Nähe der drei Kirchen befinden, weitere Einblicke in die Geschichte des Klosters und der Insel gewinnen und mehr über die dort vorhandenen Schätze erfahren, wie etwa den Markus- Schrein, jene kostbare Reliquie aus dem 14. Jahrhundert, oder über die Evangeliare und Perikopenbücher, die hier einst angefertigt wurden. Kaum irgendwo anders leben Kultur und Natur, Religion und Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart in einer so glücklichen Gemeinschaft miteinander, sodass das Ensemble der Insel mit ihrem Schilfgürtel und der umgebenden Seelandschaft im Jahr 2000 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde.


Interviewpartner: Harald Jacoby, Ornithologe, Konstanz; Volker Steffens, Bürgermeister Reichenau; Karl Wehrle, Leiter Tourist-Information Reichenau; Dagmar Zimdars, Regierungspräsidium Freiburg, Referat Denkmalpflege; Stefan Riebel, Fischer, Reichenau; Aniceta Wehrle, Winzerin, Reichenau; Berndt Wagner, Landwirt, Reichenau; Dr. Timo John, Historiker, Stuttgart; Klaus Paul, Kirchenmusiker, Reichenau; Manfred Müller, Mesner, Münster Reichenau; Pater Stephan, Benediktiner, Reichenau; Pater Daniel, Benediktiner, Reichenau; Johannes Bliestle, Geschäftsführer der Reichenau-Gemüse-Einkaufsgenossenschaft, Allensbach; Benjamin Wagner, Gemüsebauer, Reichenau; Cornelia Eisser, Inselführerin, Reichenau; Bruno Epple, Schriftsteller, Wangen auf der Höri.


© Produktion des Südwestrundfunks 2009
Bookletredaktion: Frank Witzel
© Quartino GmbH, München 2009