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Kloster Maulbronn

Reisen für Kopfhörer

Autor: Georg Waßmuth
Sprecher: Gertraud Heise, Jens Winterstein, Christiane Weiss
ca. 58 Minuten

Mehr sehen, mehr verstehen! Unsere neuen Titel bieten kompetente und umfassende Einführungen in historische Stätten. Autoren der SWR2-Landeskulturredaktionen haben nicht nur aktuelle Informationen mit praktischen Tipps für die Besichtigung zusammengestellt, sondern auch alles Wissenswerte zu Besonderheiten der Architektur und Geschichte.

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Kleine Geschichte des Klosters Maulbronn


Abseits der Hauptverkehrswege gelegen, besuchen mehr als 100 000 Interessierte jedes Jahr das Kloster Maulbronn. Die am besten erhaltene mittelalterliche Klosteranlage nördlich der Alpen wurde deshalb 1993 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Klausur, Fachwerkhäuser, Wirtschaftsgebäude und Kirche entstanden bereits im 13. Jahrhundert, werden aber nach mehrmaligen Umbauten bis heute genutzt, was einem Grundideal der Zisterzienser entspricht: von eigener Hände Arbeit zu leben. Die ersten Zisterzienser-Klöster auf deutschem Boden wurden im Jahr 1123 in der Nähe von Kamp-Lintfort am Niederrhein und vier Jahre später in Walkenried am Rande des Südharzes gegründet. Nach ersten gescheiterten Versuchen erhalten die Mönche vom Speyerer Bischof fruchtbares Altsiedelland am Hang des Stromberges geschenkt. Hier schlagen Abt Dieter und seine zwölf Mönche im Sommer 1147 zunächst einfachste Unterkünfte auf. Schon in der Römerzeit führte eine wichtige Nord-Süd-Achse durch die sonst unbewohnte Gegend von Innsbruck über die Alpen nach Augsburg und dann weiter nach Cannstatt und Speyer. Genau an dieser bedeutenden Handelsstraße wird Maulbronn gegründet.

Nach ersten Rodungsarbeiten beginnen die Mönche mit dem Bau der Klosterkirche. Als Plan dient ihnen der „Bernhardinische Grundriss“, entworfen von Bernhard von Clairvaux, dem Mitbegründer des Zisterzienserordens. Er ist Grundlage für die ab 1147 entstehende Klosteranlage Maulbronn, eines von fast 300 Zisterzienserklöstern in Europa. Parallel werden die Klausur, der Wohnbereich, und das Dorment, das Schlafhaus, errichtet. Nach dreißig Jahren kann die Kirche eingeweiht werden. Die Gegend um das Kloster ist ideal für den Weinbau. Laienbrüder, sogenannte Konversen, finden sich schon bald im Kloster ein, legen auf dem Klosterberg Dutzende von Terrassen an und bauen kilometerlange Trockenmauern als Wärmespeicher. Die Landschaft besitzt aber noch einen weiteren Vorzug: Das Quellgebiet der Salzach ist ein idealer Standort für die Teichwirtschaft der Mönche. Im Tiefen See finden sich Karpfen und Karauschen, die Speisefische des Mittelalters. Das Mühlrad treibt die großen Mahlsteine der Mühle an und liefert Energie für die Eisenhämmer und Blasebälge der Schmiede.

Dabei war die Wirtschaftsführung im Kloster Maulbronn sehr innovativ und nutzte die Astronomie zur Kalenderbestimmung und neueste Methoden der Teichwirtschaft sowie der Pflanzen- und Tierzüchtung. Im Kreuzgang des Klosters, das gleichzeitig als Grabstätte für die Äbte diente, kann man den Übergang von der Romanik zur Gotik beobachten. Die romanischen Bögen und Brunnenschalen bewunderte schon Hermann Hesse, der Seminarist in Maulbronn war und der Abtei in seinem Roman Unterm Rad ein literarisches Denkmal setzte. Zu dieser Zeit waren die Zisterzienser aber schon viele hundert Jahre aus der Klosteranlage verschwunden, verdrängt durch die Säkularisierung und gescheitert am eigenen Ideal der Askese, das sich schon bald in eine reiche Feudalherrschaft verwandelt hatte. Im Zuge der württembergischen Reformation wurde das Kloster dann im frühen 16. Jahrhundert zur protestantischen Klosterschule, später zum „Evangelischen Seminar“ umgewandelt, das heute noch besucht wird.


Interviewpartner: Dr. Hermann Josef Roth, Botaniker und Schriftleiter der Fachzeitschrift Cisterzienser Chronik; Dr. Karin Stober, Historikerin und Abteilungsleiterin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg; Ephorus Tobias Küenzlen, Theologe und Leiter des Evangelischen Seminars; Jürgen Budday, Leiter der Maulbronner Klosterkonzerte, Kirchenmusikdirektor und Musiklehrer am Evangelischen Seminar; die Seminaristen Henriette Autenrieth, Johannes van Oorschot und Jemima Dietrich; Dr. Hermann Ehmer, Landeskirchliches Archiv Stuttgart; Andreas Felchle, Bürgermeister der Stadt Maulbronn; Martin Ehlers, Stadtarchivar Maulbronn; Konrad Heß, Architekt Vermögen und Bau Baden-Württemberg; Günter Bachmann, Leitender Baudirektor Vermögen und Bau Baden-Württemberg; Günther Heß, Welterbe-Bewohner, Klosterhof 29; Führung „Wasserkraft und Fischzucht“ mit Elke Valentin M.A.


© Produktion des Südwestrundfunks 2009
Bookletredaktion: Frank Witzel
© Quartino GmbH, München 2009