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Philosophische Theologie

Originalvorträge - Wilhelm Weischedel

Autor: Wilhelm Weischedel
Sprecher: Wilhelm Weischedel
ca. 200 Minuten

Wilhelm Weischedel (1905-1975) ist vor allem durch „Die philosophische Hintertreppe“ (1966), einer allgemeinverständlichen, aber kenntnisreichen Einführung in sein Fachgebiet bekannt geworden. Der glänzende Vermittler war jedoch auch ein eigenständiger Denker, der eine Spielart der Existenzphilosophie begründet hat. Weischedel promovierte bei Heidegger und lehrte später in Tübingen und Berlin. Auch in Zeiten des Nationalsozialismus hat er sich eine makellose Biografie bewahrt: Aus politischen Gründen blieb ihm eine Lehrtätigkeit verwehrt, das Kriegsende hat er als Mithelfer der französischen Résistance erlebt. Mit dieser Sammlung von Vorträgen liegen erstmals Originaltondokumente vor.

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1 | Was ist die Zeit?


Sendung: 01.01.1950, SWF Laufzeit: 29:49

Inhalt: Das Jetzt, die Gegenwart, ist die einzige Wirklichkeit der Zeit. Zeit stellt sich daher als eine Folge von Jetzt-Punkten dar, die aus einer unendlichen Zukunft kommen und in der Vergangenheit entschwinden. Wenn wir es zu fassen versuchen, ist das Jetzt bereits vergangen. Nach Augustinus ist die Zeit nur im Menschen wirklich, Heidegger fasst sie als Horizont der Erstreckung des Menschen, erst durch sie entsteht Zusammenhang, und für Kant ist sie eine reine Form der Anschauung. Uns tritt Zeit wesentlich als Macht der Vergänglichkeit gegenüber. Platon hat daher das Endliche im Ewigen der Idee zu versöhnen versucht. Dass Zeit an sich selber, also absolut besteht, dem widerspricht die Relativitätstheorie. Ihr zufolge ist die irdische Zeit nur eine von vielen. Doch legt auch die Physik einen Gesamtmaßstab zugrunde, weil aus dem Gesetz der Entropie ein Ende unseres Universums abgeleitet wird. Auch wenn der Mensch vergänglich ist, bleibt ihm die Erfahrung des Unvergänglichen nicht verschlossen, und sei es auch nur im Leiden an seiner Endlichkeit.

2 | Hat die Philosophie noch eine Zukunft?


Sendung: Sendung: 22.07.1951, SDR Laufzeit: 19:06

Inhalt: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Philosophie bereits tot gesagt. Seither hat sie jedoch eine lebhafte Renaissance erfahren, wofür Namen wie Husserl, Bergson, Hartmann, Jaspers und Heidegger stehen. Dennoch scheint die Philosophie, die sich mit den immer gleichen alten Fragen befasst, auf der Stelle zu treten. Der Naturwissenschaft wachsen neue Aufgaben wie von selbst zu. Dabei stoßen gerade Mathematik, Physik und Biologie in philosophische Bereiche vor. Auch die Geisteswissenschaften überwinden den sie dominierenden Positivismus und fragen nach dem Wesen von Geschichte, Kunst und Gesellschaft. Der philosophische Impuls entspringt dem Dasein des Menschen, gerade weil sich gewisse Grundfragen nicht erledigen lassen, wird das Fragen zur Notwendigkeit. Allerdings sind der Philosophie keine Methodenfragen anzuraten, sondern sachhaltige, die nach dem Wesen und dem Sein des Menschen in der Welt.

3 | Die Macht der Vielen und die Freiheit des Einzelnen


Sendung: 23.12.1951, SDR Laufzeit: 18:40

Inhalt: Rousseau hat bezweifelt, dass der Mensch als gesellschaftliches Wesen nur in Gemeinschaft entfaltet ist. Ihm gilt der Naturzustand als guter. Ohne Gemeinschaft gäbe es jedoch keine Arbeitsteilung, wir wären ungeschützt der Not ausgeliefert und müssten Angst um unser Leben haben. Die Leistungen der Gemeinschaft erfordern Opfer vom Einzelnen. Allerdings verstrickt sich der Zusammenschluss der Vielen in das Verhängnis der Macht, totalitäre Herrschaft löscht die Freiheit des Einzelnen aus und nur in ihr ruht die Menschenwürde. Umgekehrt führt jedoch schrankenloser Individualismus zur Willkür. Beschränkung und Freiheit scheinen ein unauflöslicher Gegensatz. Das Problem besteht jedoch im Absolut-Setzen der jeweiligen Position. Eine Lösung wäre, auf den anderen zu blicken und selbst nur das zu tun, was man auch ihm zubilligt.

4 | Wesen und Ursprung des Gewissens


Sendung: 17.08.1952, SWF Laufzeit: 24:57

Inhalt: Das schlechte Gewissen trifft den Menschen in seinem Böse-Sein und wurzelt daher im Guten. Seine Stimme überfällt einen plötzlich und unvermutet, ist apodiktisch und zielt nicht nur auf das Tun, sondern weist unser ganzes Sein als nicht in Ordnung befindlich auf. Man verfügt über keine Möglichkeit, es anders reden zu lassen, bringt es allenfalls zum Schweigen. Seine Unbedingtheit ist jedoch nicht allgemein verbindlich: Für den einen ist Wehrdienst Gewissenspflicht, für den anderen die Verweigerung. Aber kann der Mensch als endlicher überhaupt etwas Absolutes erfahren? Große Kunst, Staunen vor dem Wunder des Seins, Hinabtauchen zum Wesensgrund, Begegnung mit dem Schicksal – an diesen Orten wird der Mensch vom Absoluten angerührt. Dass das Gewissen dazugehört, lässt sich nicht beweisen, es bleibt nur, in sich hineinzuhorchen, um das Absolute zu verstehen.

5 | Sozialismus und Menschenwürde


Sendung: 30.03.1953, SWF Laufzeit: 24:39

Inhalt: Der Sozialismus setzt das Kollektiv über den Einzelnen, er verletzt daher die Menschenwürde? Solche Urteile sind vorschnell. Der Sozialismus ist nicht mit dem russischen Modell identisch, in England, Deutschland und Skandinavien ist seine Tradition ebenfalls bis heute geformt worden. Auch im Kapitalismus und der Demokratie ist Freiheit in Gefahr, Technik überwältigt den Menschen, Lohnarbeit macht den Menschen zur Ware und Krisen ziehen herauf. Das Ziel des Sozialismus, die Aufhebung der Selbstentfremdung des Menschen, realisiert sich nur in einem allseitigen Humanismus. Der Kapitalismus begrenzt die Möglichkeit, Mensch zu sein, ökonomisch, denn er begreift ihn als Mittel, nicht als Zweck. Die persönliche Würde wird in den Tauschwert aufgelöst. Abschaffung des Eigentums, wie vom Sozialismus gefordert, ist legitim, wenn es um die Vergesellschaftung zentraler Produktionsmittel geht. Arbeitszwang für alle meint, dass nur Arbeit nicht Kapital eine Einkommensquelle bilden darf. Eine Diktatur des Proletariats ist jedoch abzulehnen, denn Macht hat sich noch nie selbst abgeschafft.

6 | Philosophische Theologie


Sendung: 14.04.1957, SWF Sprecher: Günther Schmitz Laufzeit: 28:44

Inhalt: Der Philosophie ist vom Glauben die Berechtigung bestritten worden, über Gott zu reden. Paulus warnt davor, sich von ihr verführen zu lassen, Tertullian hält sie für das Werk von Dämonen und für Luther ist die Lehre der Vernunft des Teufels. In neuerer Zeit pflichten Rudolf Bultmann und Karl Barth dem bei. Philosophie scheint zwangsläufig atheistisch orientiert. Feuerbach erklärt Gott zur Illusion, Nietzsche sieht Betrug im Spiel und auch Sartre glaubt nicht an die Existenz Gottes. Allerdings war schon für die Philosophie der Griechen die Frage nach dem Göttlichen wesentlich. Auch später haben sich viele an Gottesbeweisen versucht, wie Voltaire, Thomas von Aquin oder Kant. Keiner dieser Beweise ist schlüssig, philosophische Theologie gräbt sich durch Fragen in den Grund hinab selbst den Boden ab. Aber nur darin finden wir uns wieder, in der Erfahrung der Fraglichkeit des Seins. Die Fraglichkeit kann weder im Sein noch im Nichts, auch nicht im Sinn oder Sinnlosigkeit wurzeln, sie schwebt zwischen den Polen. Eben das führt zu der Antwort, dass Gott nur sein kann, was den Menschen in sein fragendes Wesen bringt.

7 | Friede als Philosophisches Postulat I


Sendung: 30.07.1967, SWF Laufzeit: 30:01

8 | Friede als Philosophisches Postulat II


Sendung: 06.08.1967, SWF Laufzeit: 29:45

Inhalt: Die Durchsicht philosophischer Konzepte ergibt ein ernüchterndes Bild: Heraklit gilt der Krieg als Vater aller Dinge, für Hegel, der eine Priorität des Werdens setzt, ist er sogar sittlich notwendig, da er Verfestigungen auflöst, Nietzsche schließlich sieht in ihm den Willen zur Macht am Wirken, der die Décadence überwindet. Demgegenüber betrachtet Erasmus von Rotterdam den Frieden als erstrebenswerten Normalzustand, für Thomas Hobbes ist der Krieg aller gegen alle die Regel, allerdings führt die Angst vor diesem rohen Naturzustand Frieden herbei. Auch Kant meint eine in der Natur verwurzelte Bösartigkeit ausmachen zu können, der das Gute gegenübersteht, sodass der Friede nur als sittliche Aufgabe zu verwirklichen ist. Diese Sittlichkeit entfaltet sich im kategorischen Imperativ und fände in einem Völkerbund adäquaten Ausdruck. Resümiert man, zeigen sich die genannten Konzepte abhängig vom jeweils grundgelegten Menschenbild. Deren unentscheidbare Pluralität scheint ein Versagen der Philosophie in dieser wichtigen Frage anzuzeigen. Allerdings steht die Menschheit heute angesichts eines drohenden Atomkriegs vor einer neuen Situation. Ihre mögliche Selbstvernichtung lässt die – kriegstechnisch gesehen – veralteten philosophischen Konzepte hinfällig werden. Deshalb muss die Philosophie darum bemüht sein, die kleinen wie auch die großen Kriege zu verhindern.

9 | Silvester 1963


Sendung und Sender unbekannt Laufzeit: 3:47

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