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Was die Welt im Innersten zusammenhält

Vorträge und Diskussion

Autor: Hans Küng, Harald Lesch
Sprecher: Hans Küng, Harald Lesch
ca. 126 Minuten

Erklärt uns die Naturwissenschaft, was die Welt im Innersten zusammenhält? Bleibt für den Glauben noch Platz neben dem Urknall, Darwins Evolutionstheorie und der modernen Hirnphysiologie? Oder ist seine Existenz eine Hypothese, die man nicht mehr braucht?
In einer profunden Analyse des naturwissenschaftlichen Wissens legt Hans Küng dar, dass sich Religion und Naturwissenschaften ergänzen. Astrophysik, Biologie und Hirnforschung können über Gottes Existenz nichts aussagen und überlassen dem Menschen die freie Entscheidung für oder gegen eine höhere Instanz.
In drei Vorträgen über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion breitet der bekannte Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng ein gut fassliches Panorama dieser Fragen aus. Den Abschluss bildet eine Diskussion mit dem Astrophysiker Harald Lesch.

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CD 1 | Hans Küng: Was die Welt im Innersten zusammenhält (1)


Sendung: 14. 04. 2006, SWR2 Redakteur: Ralf Caspary Laufzeit: 27:00

Inhalt: Naturwissenschaft und Religion rivalisieren bei der Frage nach dem Anfang der Welt nur scheinbar. Der Urknall selbst oder das »Davor« sind physikalisch kaum erforschbar, da der Urknall, mit dem das Universum vermutlich seinen Anfang nahm, nicht ein Moment am Beginn der Zeit ist, sondern der physikalisch nicht erforschbare Anfang der Zeit selbst. Damit bleibt der Ursprung dieser Feinabstimmung der Naturkonstanten und des Materie-Antimaterie-Verhältnisses in den ersten Sekunden nach dem Urknall unerkannt. Die moderne Astrophysik versuchte nun zum Teil den Urknall zu relativieren, um den damit verbundenen philosophisch-religiösen Fragen auszuweichen. Ein bereits widerlegter Versuch war das sogenannte Steady-State-Modell, das ein Universum ohne Anfang und Ende konzipierte. Aktueller sind die Viele-Welten-Theorien, die aber empirisch nicht überprüfbar sind und damit selbst den Charakter unbeweisbarer Spekulation haben. Darüber hinaus beschränkt sich die Physik im Wesentlichen auf die Untersuchung der Zeit nach dem Urknall. Insgesamt lassen die Erkenntnisse der modernen Astrophysik mit ihren Versuchen, die Frage nach unserem Anfang zu beantworten, die Welt eher noch sinnloser erscheinen. Dabei machen die Unanschaulichkeit der physikalischen Wirklichkeit und die Lückenhaftigkeit kosmologischen Wissens diesen Themenkomplex schwer fassbar. Das naturwissenschaftliche Instrumentarium mit seinem logisch-zwingenden Charakter versagt bei den letzten Fragen des Ursprungs dieser rätselhaften Wirklichkeit. Die Philosophie bzw. Religion kümmert sich dagegen um eine meta-empirische Wirklichkeit. Die Frage, die sie untersucht und die allen anderen philosophischen Fragen zu Grunde liegt, ist die nach der Wirklichkeit überhaupt: Warum gibt es etwas und nicht nichts? Zugang zu dem Urgeheimnis der Wirklichkeit erhält man auf dem Weg der gelebten, reflektierten Praxis in einer vertrauenden, rational verantwortbaren Grundentscheidung. Nach Blaise Pascals Wette existiert Gott, oder er existiert nicht. Die Vernunft kann keine der beiden Möglichkeiten als wahr oder falsch erweisen. Da man jedoch wählen muss, denn auch eine Nichtwahl wäre Wahl, stehen die Chancen von Unglauben zu Glauben wie Null zu Unendlich, weshalb man mit einer Entscheidung für Gott nichts verlieren aber alles gewinnen kann.

CD 1 | Hans Küng: Was die Welt im Innersten zusammenhält (2)


Sendung: 16. 04. 2006, SWR2 Redakteur: Ralf Caspary Laufzeit: 27:42

Inhalt: Die Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Lebens führt zu einem gleichberechtigten Dialog von Naturwissenschaft und Religion. Darwins Evolutionslehre ist wissenschaftlich anerkannt, und sein Prinzip des »Überlebens der Tüchtigsten« gilt bereits auf der Ebene der Moleküle. Elementarer Träger des Lebens und seiner Grundeigenschaften sind die Nukleinsäuren und Proteine. Es gab keinen Schöpfungsakt, der das Leben hervorbrachte, denn die Biogenese ist als Selbstorganisation der Materie rein chemisch-physikalisch erklärbar. Es herrscht aber nicht nur der Zufall, denn letztlich sind Zufall und Notwendigkeit falsche Alternativen. Beide wirken immer zusammen. Der Molekularbiologe Jacques Monod räumt dem Zufall einen Vorrang ein, während für den Physikochemiker Manfred Eigen die Notwendigkeit den Zufall steuert. Aus der scheinbaren Lücke zwischen unbelebter Welt und Biosphäre lässt sich daher Gottes Existenz genauso wenig folgern wie ausschließen. Der Mensch kann sich damit zwischen zwei existenziellen Alternativen entscheiden: Entweder er setzt vertrauend die Sinnhaftigkeit des Evolutionsprozesses voraus oder er negiert einen Ursprung und ein Urziel dieses Prozesses. Auch auf die Frage, ob sich der Kosmos zielgerichtet auf den Menschen hin entwickelt hat, ist aus der Physik und Biologie keine abschließende Antwort zu erwarten. Das in diesem Kontext wichtige anthropische Prinzip wurde in zwei Weisen formuliert, in seiner starken Form (die Anfangsbedingungen und Naturkonstanten des Kosmos sind so, dass sich ein Beobachter, d. h. Leben und Intelligenz, entwickeln musste) und in seiner schwachen Form (die Umstände sind so, dass sich intelligentes Leben entwickeln konnte). Das schwache anthropische Prinzip ist kein Beweis, sondern ein Hinweis darauf, dass der Evolutionsprozess für den Menschen nicht sinnlos ist. Für Gesetze, die die Empirie übersteigen, ist jedoch nicht mehr die Wissenschaft zuständig, sondern die Religion. Indem die Religion die meta-empirischen, großen Zusammenhänge erkennt, kann sie die Evolution als Schöpfung interpretieren, während die naturwissenschaftliche Erkenntnis Schöpfung als evolutiven Prozess konkretisiert. Naturwissenschaft und Religion ergänzen sich dabei, wobei hier Religion im Sinne von Glauben als Vertrauen und nicht als das Fürwahrhalten vorgegebener Lehrsätze verstanden wird. Gottes Wirken ist damit nicht als Kontrollieren oder Steuern zu denken. Vielmehr wirkt er als Geist in den Strukturen, die von ihm verschieden sind. Sein Wirken ist dabei nicht relativ, sondern im Endlichen unendlich. Welt und Gott treten nicht in Konkurrenz, sondern sind ineinander: die Welt in Gott und Gott in der Welt.

CD 2 | Hans Küng: Was die Welt im Innersten zusammenhält (3)


Sendung: 17. 04. 2006, SWR2 Redakteur: Ralf Caspary Laufzeit: 27:40

Inhalt: Während die modernen Neurowissenschaften Hoffnung machen, schwere Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zukünftig besser behandeln zu können, rufen sie gleichzeitig auch Ängste vor der Manipulierbarkeit des eigenen Bewusstseins hervor. Das gilt vor allem für populäre Anschauungen, die das Bewusstsein auf Prozesse im Gehirn reduzieren. Für eine derartige Reduktion reichen die Ergebnisse der Hirnforschung jedoch nicht aus, da etwa Vorgänge wie die subjektive Wahrnehmung von Farben, Gerüchen, Gefühlen und Gedanken gehirnphysiologisch noch nicht erfasst werden können. So heißt es in einem Manifest von Neurowissenschaftlern aus dem Jahr 2004: Die Prozesse auf Zellgröße werden mittlerweile genauso gut verstanden wie das Zusammenspiel größerer Hirnareale, während die Abläufe in mittleren Zellverbänden noch »völlig unbekannt« sind. Im Gegensatz zu einem reduktionistischen Forschungsprogramm hält der Hirnphysiologe Libet die Existenz eines freien Willens inzwischen für gut vertretbar. Auch andere namhafte Forscher lehnen einen materialistischen Reduktionismus ab. Tatsächlich scheint man die Freiheit des eigenen Willens erfahren zu können. Introspektiv hat man besonders bei reflektierten Entscheidungen den Eindruck, es hänge letztlich von einem selbst ab, wobei man Freiheit auch im eigenen Nicht-Tun und Versagen erleben kann. Freiheit wird zudem im menschlichen Miteinander vorausgesetzt. Würde man mit dem Hirnforscher Gerhard Roth die Auffassung vertreten, dass es keinen freien Willen gibt und die Letztentscheidung beim limbischen System liegt, dann wäre der subjektive Eindruck, frei zu handeln, eine Illusion. Kein Mensch bräuchte mehr Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Aber selbst der Hirnforscher, der eine Willensfreiheit theoretisch leugnet, setzt sie im Umgang mit seinen Angestellten ständig voraus. Auf dieser allgemein vorausgesetzten Willensfreiheit bauen die allen Kulturen gemeinsamen ethischen Werte und Maßstäbe auf. Dieses Weltethos hat sich historisch aus den elementaren sittlichen Normen, dem Urethos, entwickelt. Was hingegen das Ende aller Dinge betrifft, so gibt es zwei unterschiedliche physikalische Theorien: Die eine Hypothese postuliert ein pulsierendes Universum, das sich nach einer Phase der Expansion wieder auf einen Punkt zusammenzieht und in einem neuem Urknall endet. Gemäß der anderen, populäreren Hypothese setzt sich hingegen die Expansion des Universums beständig fort, sodass die Sterne verbrennen und es schließlich kalt und dunkel wird. Die biblischen Visionen der Apokalypse dagegen sind Bilder, die Auskunft über das der direkten Erfahrung nicht Zugängliche geben. Sie sind Zeugnis für den Glauben, dass Gott nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende steht, weshalb das persönliche Ende nicht nur ein Abschied nach innen, sondern auch ein Sterben ins Licht hinein ist.

CD 2 | Hans Küng und Harald Lesch: Ist Gott der größte Physiker?


Sendung: 10. 2. 2006, SWR2 Gesprächsleitung: Ralf Caspary
Redakteurin: Ursula Nusser Laufzeit: 43:35

Inhalt: Immer wieder tauchen im kosmologischen Diskurs philosophisch-theologische Fragen auf, anhand derer die unterschiedlichen Ausgangspunkte von Religion und Naturwissenschaft deutlich werden. Während die Physik nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit untersucht und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen dazu führen können, dass sich die Menschen in ihrem Kosmos noch einsamer fühlen, beantwortet die Religion dem Menschen Fragen nach dem Sinn der Welt und seinem Handeln. Dabei liegen die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen – eine Kluft, die im einzelnen Menschen in dieser Form nicht existiert – keineswegs in den unterschiedlichen Methoden der beiden Fächer begründet. Doch während in der Religion die tiefsten Fragen der Menschheit zur Geltung kommen, fokussiert sich die Physik auf das Reproduzierbare und blendet damit einen Großteil der Welt aus. Die Wirklichkeit des Subjekts ist aber gerade nicht reproduzierbar und somit Teil einer anderen als der objektiven, physikalischen Wirklichkeit, was einen direkten Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Religion schon im Ansatz unmöglich macht.
Die String-Theorie und die Theorie der Multi-Universen führen die physikalischen Überlegungen in die Nähe der Esoterik und Religion, denn diese Theorien genügen nicht mehr dem Kriterium der Falsifizierbarkeit. Auf der Suche nach einer einheitlichen physikalischen Theorie gelangen manche Naturwissenschaftler über physikalische Überlegungen zu Spekulationen über die Entstehung von verschiedenen Universen durch Quantenfluktuation. Fasziniert waren Hawking und andere Theoretiker dabei vor allem von der genauen Abstimmung der kosmischen Anfangsbedingungen. Wären diese nur minimal anders gewesen, hätte es den Menschen nicht gegeben. Das ist aber kein Beweis für die Existenz Gottes, denn man muss sich nicht wundern, dass die Katze gerade dort Löcher im Fell hat, wo ihre Augen sind. Die religiöse Kernfrage ist hingegen, warum der Kosmos überhaupt existiert und nicht vielmehr nichts. Diese Frage ist wie die nach Gott, der Freiheit und dem Sinn des Lebens keine naturwissenschaftliche Frage. Die Existenz des Menschen liefert dabei einen Grund, an Gott zu glauben, da die kosmologisch-evolutive Entstehung mit so viel Leid verbunden war und keinen Sinn hätte, wäre nicht irgendwann der Mensch aufgetreten, der genau nach diesem Sinn fragt. Der Glaube an Gott und ein Leben nach dem Tod gründen sich dabei auf das vernünftige Vertrauen, das nicht beliebig ist, weil es durch Vernunft begründet werden kann, aber auch nicht notwendig, da es sich immer um eine freie Entscheidung handelt. Man kann dieser Entscheidung für oder gegen Gott zunächst ausweichen, doch letztlich ist auch keine Entscheidung eine negative Entscheidung. Eine atheistische Überzeugung gründet jedoch auf einem irrationalen, der Glaube an Gott hingegen auf einem vernünftigen Vertrauen, wobei die Naturwissenschaften keinerlei Anlass geben, nicht an Gott zu glauben.

© Produktionen des Südwestrundfunks 2006/2008
Bookletredaktion: Gregor Schneider / Frank Witzel
© Quartino GmbH, München 2008